Neuigkeiten und aktuelle Projekte

Ein Jahr Ukrainehilfe

„Allzeit Bereit“

 

Am 1.3.2022 standen wir nahe Kronscienko. Ein kleiner Grenzübergang im Süd-Osten von Polen. Es ist kalt, auf den Pässen der Kaparten, die wir in unserem Konvoi passiert haben, lag Schnee. Kerstin, Stoni und ich warten auf eine Familie, die über diesen Grenzübergang kommen soll. Mit uns warten viele. Die polnische Polizei ist präsent, englischsprachige Männer in Zivil mit Geländewägen auch. Zwei Frauen, vier Kinder, mit Rucksäcken und Plastiktüten kommen über die Grenze. Es ist zum Weinen und es wird auch geweint. Wir haben die Menschen gefunden, die wir an diesem Grenzübergang gesucht haben.

 

Der Focus der Jugendverbände ist es Jugendarbeit zu machen. Kinder und Jugendliche zu begleiten, zu erziehen, Lern- und Entwicklungsräume zu eröffnen, ihnen zu helfen zu wachsen. Dafür machen wir unsere Gruppenstunden, unsere Aktionen, Projekte und Lager. Nach jedem Treffen singen wir Pfadfinder*innen im Abschlusskreis „Nehmt Abschied Brüder“ und eine*r ruft: „Allzeit“ und alle anderen Antworten „bereit“.

 

Nie haben diese Worte so gut gepasst, wie in den ersten Monaten nach dem Beginn des russischen Eroberungskrieges. Wie ohnmächtig sahen wir alle die Bilder der Truppenbewegungen, hörten die rhetorische Eskalation und dann schließlich die Invasion. Ohne groß Werbung zu machen haben sich binnen weniger Stunden 12 Leiter*innen gefunden, die sich in sechs Fahrzeugen auf den Weg gemacht haben. Zur ukrainischen Grenze. Vollbepackt mit Hilfsgütern vom ukrainischen Kulturverein Gorod in München fuhren wir los. Insgesamt 42 Fahrten mit Hilfsgütern hin und Geflüchteten zurück.

 

Vor jeder Fahrt wurde um den Segen gebeten, egal wie „katholisch" die Fahrer*innen waren oder nicht. Wir haben gespürt, dass es natürlich die Hilfe der polnischen Pfadfinder*innen vor Ort braucht und es natürlich die (vollkommen unkomplizierte, schnelle) finanzielle Unterstützung durch das EOM braucht, aber das da trotzdem mehr ist. Mehr als wir uns gegenseitig geben können. 

Katholisch, politisch, aktiv - so ist unser Selbstbild. Nie habe ich dieses Motto des BDKJ so sehr in meinem Verband erlebt.

 

Katholisch heißt allumfassend. Gemeinsam für die Welt. Gemeinsam für die, die unsere Hilfe am meisten brauchen.

Politisch heißt sich eine Meinung zu bilden und dafür zu stehen - so steht es im Gesetzt der Friedenspfadfinder. Ergo handeln, aktiv zu werden, die Hand zu heben und sich immer zu zweit (Lk 10,1) auf den Weg zu machen, sich senden zu lassen.

 

Der Transport an Hilfsgütern hat sich professionalisiert und es gibt inzwischen stabile Verbindungen von der ukrainischen Grenze richtung Westen. Was heute geblieben ist, ist die Betreuung der Menschen, die wir hier her gebracht haben. Und ehrlich gesagt ist das fast die größere Herausforderung. Behördengänge, Schulbesuche, Arzttermine, Sprachkurse und vieles mehr. Einige sind zurück gegangen, einige wollen dauerhaft bleiben und einzelne kommen wieder aus der Ukraine zurück - wenn Strom fehlt, keine Heizung geht und Luftalarm die Nacht durchbricht.

 

Der Krieg ist nicht vorbei. In der Ukraine nicht und an so vielen Orten und Ländern dieser Welt nicht. Wir, die katholische Jugendverbände, haben die Kraft, die Ressourcen und den Glauben, um an den Orten, an denen wir Leben und Arbeiten, etwas zum Besseren zu wenden. Lasst uns aktiv auf geflüchtete Jugendliche zugehen, laden wir sie ein, bringen wir das Friedenslicht hinaus in die Welt, eben jeden Tag eine gute Tat – das ist kein Klischee, sondern gelebter Glaube.

 

Andreas für den Vorstand